Ein Mitarbeiter "tanzte" mit einem Deko-Flamingo und schwamm bei einer Betriebsfeier am Partyschiff im Rhein. Die Arbeitgeberin wollte den Mann loswerden – machte aber in Bezug auf die Unterhose einen entscheidenden Fehler.
Das Verhalten von Marius S. bei der Nach-Corona-Betriebsfeier war der Arbeitgeberin zu viel: Als die Stimmung nachließ, ging der Mitarbeiter eines Aufzugsunternehmens gegen 22 Uhr von dem Partyschiff "Achterdeck" in Köln ans Ufer, zog sich bis auf die Unterhose aus, schwamm zum Boot und lief über das Deck an den versammelten Mitarbeitern vorbei zum Ausgang. Wieder angezogen und zurück an Bord, stellten ihn Vorgesetzte zur Rede – der 33-Jährige bekam nach einer Anhörung des Betriebsrates die Kündigung. An diesem Dienstag fanden sich Marius S. und seine Arbeitgeberin in der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf wieder (Az. 3 Sa 211/23). Die Vorinstanz hatte der Kündigungsschutzklage bereits stattgegeben (Arbeitsgericht Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2023, Az. 16 Ca 4079/22).
Der Mann war seit dem 1. Januar 2021 als Trainee zum Verkauf von Neuanlagen in der Region West beschäftigt. Diese Region gelte als Party-Region des Unternehmens, erzählte der Mann im Gerichtssaal. An dem Tag der Betriebsfeier im September 2022 sei der Pegelstand des Rheins mit 1,20 Metern gering gewesen, er sei nur an der Längsseite, dem Ufer zugewandten Seite entlang geschwommen und habe nur Spaß haben wollen. Für den zu sorgen, dafür sei die Region West, der er zugehörte, bekannt.
Die Arbeitgeberin fand das Verhalten jedoch gar nicht witzig. Der Mitarbeiter habe sich selbst und andere, die ihn möglicherweise hätten retten wollen, gefährdet – und habe daher den Betriebsfrieden gestört. Die Stimmung auf der Feier sei nach dem Zwischenfall jäh gekippt. Die Arbeitgeberin hörte also den Betriebsrat an und kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats drei Tage nach der Feier fristlos.
Fehler bei der Anhörung des Betriebsrats
Allerdings – und hierüber könne gut in einer mündlichen Prüfung diskutiert werden, meint der Vorsitzende Richter am LAG Olaf Klein – hatte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat dabei fehlerhafte Angaben gemacht: Sie hatte laut Klein "mindestens grob fahrlässig" falsche Informationen zum Sozialstatus übermittelt. Denn der Mann ist verheiratet, die Arbeitgeberin bezeichnete ihn als ledig.
Außerdem behauptete das Unternehmen, Marius S. sei nackt in den Rhein gesprungen. Tatsächlich war er mit einer Unterhose bekleidet und in den Rhein "gewatet", wie er bei der Verhandlung selbst darstellte.
Doch liegt darin schon eine Irreführung des Betriebsrates, die eine außerordentliche Kündigung unwirksam macht? Ist hier die Grenze zwischen einer falschen Darstellung zur bewussten Irreführung überschritten?
Ja, sagte schon das ArbG – und zu dieser Einschätzung neigte auch LAG in seinen rechtlichen Ausführungen: "Diese Aussage war objektiv falsch", so Richter Klein. Aber war die Frage der Nacktheit denn entscheidend?
Störung des Betriebsfriedens oder Selbst- und Fremdgefährdung
Das kommt darauf an, wie die Arbeitgeberin die außerordentliche Kündigung begründet. Gegenüber dem Betriebsrat hatte sie angegeben, der Mitarbeiter habe sich selbst und andere gefährdet. Dafür wäre die Bekleidungsfrage unerheblich. Im Prozess hingegen stellte das Unternehmen darauf ab, dass der Mitarbeiter den Betriebsfrieden gestört habe – und dafür ist die Bekleidungsfrage sehr wohl entscheidend.
Auch wenn Marius S. unstreitig bekleidet war – "wenn auch spärlich", so Richter Klein, sei die Betriebsratsanhörung damit doch fehlerhaft gewesen, die außerordentliche Kündigung unwirksam.
Der Vorfall mit dem Flamingo
Doch die Geschichte im Rhein war nicht die einzige, die das Unternehmen dem 33-Jährigen vorwarf. Es habe schon einige Monate vorher bei einem Firmenevent in Berlin einen Vorfall gegeben, der zu einer Ermahnung geführt habe. Zwei Tage feierten die Beschäftigten bei dieser Veranstaltung, am ersten Tag unter sich – wobei streitig ist, ob abends auch Kunden dazu kamen – der zweite Tag war ein Kundenevent, bei dem Marius S. nicht anwesend war.
Doch wie auch beim Partyboot in Köln hatten die Beschäftigten schon am ersten Tag Bändchen bekommen, die für sie kostenlosen Alkoholausschank an der Rooftop-Bar sicherstellten. In der Bar standen auch zwei lebensgroße pinke Deko-Flamingos – und die Stimmung sei ausgelassen gewesen. Marius S. habe einen Flamingo hochgehoben, dabei sei der wohl etwas beschädigt worden, sagt er selbst. Er sei mit dem Flamingo nach unten gegangen und habe im Fotoautomaten ein Bild mit dem Tier gemacht – und ihn dann zurückgebracht.
Gut sei das Bild nicht geworden, und einige Tage später habe ihn sein Chef im Rahmen eines Zielvereinbarungsgesprächs gesagt, er solle so etwas nicht machen, wenn die "großen Chefs aus Berlin" dabei seien.
Das Unternehmen – und auch das Gericht – wertete dies als arbeitsrechtliche Ermahnung. Eine Abmahnung gab es für die Aktion nicht. Dafür aber viel Resonanz von den Kollegen, die in der Folge bei Online-Meetings durchaus mal rosa Flamingos in die Kamera gehalten hätten. Die 400 Euro Kosten wegen der Beschädigung sei dem Unternehmen mit den 8.500 Euro für den Abend bei rund 150 Mitarbeitern in Rechnung gestellt worden. Marius S. habe dafür aber eine entsprechend hohe Zielvereinbarung bekommen, die den Betrag ausgleichen sollte.
Klassenclown geht zurück ins Unternehmen
Marius S. sagte an diesem Tag im Gerichtssaal: "Wenn mir das Unternehmen damals schon gespiegelt hätte, dass das nicht ok war, wäre es vielleicht nicht zu dem Vorfall am Rhein gekommen." Überzeugt war Richter Olaf Klein von dieser Einlassung nicht: "Sie haben den Status des Klassenclowns übernommen, und so clownesk wünscht man es im Unternehmen nicht."
Mehrfach und eindringlich schlug der Richter einen Vergleich vor, der Abfindungsbetrag sei sicherlich mangels Vorliegens einer rechtmäßigen Kündigung hoch. Doch Marius S. ging nicht darauf ein: Er will weiter für diese Arbeitgeberin tätig sein.
Und so kommt es nun tatsächlich: Am Montag um 8 Uhr wird der 33-Jährige seinen Arbeitsplatz wieder antreten. Die Parteien schlossen einen entsprechenden Vergleich – eine Alternative gab es für die Arbeitgeberin nicht. Sie hätte ihren Mitarbeiter abmahnen können, vermutlich schon beim Flamingo-Vorfall, doch ohne dies und ohne ordentliche Unterrichtung des Betriebsrates wäre sie bei einem Urteil unterlegen.
Selbst der letzte Anker, der noch gestellte Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) konnte nicht durchgehen. Danach kann das Gericht auf Antrag das Arbeitsverhältnis beenden, wenn eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. Das funktioniert allerdings nur, wenn andere als die bei der ordentlichen Kündigung nicht relevanten Gründe vorliegen – wie etwa neue Beleidigungen oder Lügen im Gerichtsverfahren selbst.
So aber geht es für die Beteiligten am Montag weiter. Marius S. zeigte sich optimistisch: "Ich werde mich bemühen."
Quelle: mk/LTO-Redaktion